Wer als Dressurreiter in höheren Klassen auf Turnieren starten möchte, wird sich früher oder später mit dem Thema „Kandare“ befassen, denn in den meisten Prüfungen ab der Klasse M ist der Kandarenzaum vorgeschrieben.
Der folgende Beitrag soll eine Anleitung geben, wie Kandarengebisse korrekt und pferdefreundlich gewählt, verschnallt und eingesetzt werden können, um ein zufriedenes Pferd und eine feine Hilfengebung des Reiters zu ermöglichen.
Grundsätzlich kann jeder für sich entscheiden, ob er mit Kandare reiten möchte. Wer sich dafür entscheidet, sollte den Ausbildungsweg bis zu Kandarenreife absolviert haben. Die Kandare ist ein Hilfsmittel zur Verfeinerung der Hilfengebung, dient aber gleichzeitig auch der Überprüfung der reiterlichen Fähigkeiten und setzt folgende Fähigkeiten von Reiter und Pferd voraus:
- Ausbalancierter und losgelassener Sitz, unabhängig von der Hand
- Feine Reiterhand, gleichmäßig und koordiniert einwirkend
- Zusammenspiel der Hilfen sollte funktionieren
- Zufriedene und ruhige Anlehnung mit Trensengebiss
- Ausbalanciertes Pferd, das sich nicht auf dem Zügel abstützt
- Gute Reaktion auf und Akzeptanz der Gewichts-, Schenkel und Zügelhilfen
- Das Pferd sollte bereits Versammlungsbereitschaft zeigen, Selbsthaltung, Schub- und Tragkraft in Grundzügen entwickelt haben
In der Reitsportdisziplin Dressur wird die Kandare immer in Kombination mit einer Unterlegtrense verwendet. Es wird mit zwei Zügelpaaren und einer konstanten Verbindung geritten, wobei die Zügelhilfen vorrangig über die Unterlegtrense gegeben werden. Der Kandarenzügel wird lediglich zur Verfeinerung der Hilfengebung benötigt.
Die Unterlegtrense hat dabei ein einfach oder doppelt gebrochenes Mundstück und wird über den Hauptzügel bedient. Der Reiter wirkt dabei über die Zunge auf das Pferdemaul ein. Die Wirkung entspricht also der eines normalen Trensengebisses. Im Beitrag 'Wie finde ich das passende Gebiss' findest du mehr Informationen zu den unterschiedlichen Gebissarten und ihrer Wirkung.
Das Kandarengebiss wird zusätzlich zur Unterlegtrense verwendet. Es besteht aus einem starren, ungebrochenen Mundstück und den Seitenteilen mit einem Ober- und Unterbaum und einer Kinnkette. Am sogenannten Oberbaum wird das Backenstück des Kandarenzaums befestigt. Hier sind auch die Kinnkettenhaken für die Kinnkette angebracht. Am unteren Ende des Unterbaums befinden sich die Ringe für die Anbringung der Kandarenzügel. Bei Annahme der Kandare drehen sich Ober- und Unterbaum um das Mundstück, wodurch eine Hebelwirkung entsteht und Druck das Genick ausgeübt wird.
Das Verhältnis zwischen Ober- und Unterbaum, bzw. die Länge des Unterbaums, bestimmt dabei die Stärke der Hebelwirkung. Die gängigsten Längen der Unterbäume sind 5 cm und 7 cm. Ein kürzerer Unterzug, auch Baby-Kandare genannt, reagiert dabei schneller, hat aber eine geringere Hebelwirkung auf das Genick als ein längerer Unterzug.
Die Kinnkette wird in die Kinnkettenhaken eingehängt. Die Kettenglieder müssen ausgedreht sein und mit der flachen Seite am Unterkiefer liegen. Durch sie wird der Druck, der auf das Genick ausgeübt wird, begrenzt. Durch Anzug des Kandarenzügels dreht sich das Seitenteil so lange, bis die Kinnkette anfängt zu „greifen“. Idealerweise passiert dies, wenn der Winkel von Unterbaum zu Maulspalte zwischen 30 und 45° beträgt.
Damit das Reiten auf Kandare funktioniert, ist es notwendig, sich mit dem Thema und der Verschnallung genauer zu beschäftigen.
Eines der größten und weit verbreitetsten Missverständnisse beim Thema Kandare ist die Gebissweite. Der Satz „die Unterlegtrense muss größer sein als die Kandare“ ist zwar grundsätzlich nicht verkehrt, allerdings irreführend! Als Ergebnis dieses Missverständnisses findet man leider viele Reiter, die mit zu großen Gebissen reiten und diese dann zwangsläufig zu hoch verschnallen. Hier beginnt oft ein Kreislauf, bei dem ein Problem das nächste begünstigt.
Richtig ist: Die Unterlegtrense sollte möglichst die gleiche Gebissweite und -form haben, wie das normalerweise verwendete (und passende) Trensengebiss. Das Unterleggebiss wird auch an der gleichen Stelle im Pferdemaul eingeschnallt, nicht höher. Der Abstand zum ersten Backenzahn im Unterkiefer sollte mindestens 1-2 Finger sein, damit das Mundstück bei Zügelannahme den Zahn nicht berührt. Im Wesentlichen unterscheidet sich die Unterlegtrense vom alltäglichen Gebiss also nur durch die kleinere Ringgröße und eine geringere Stärke (Standard 12-14mm).
Das Kandarengebiss liegt etwas weiter unten im Pferdemaul. An dieser Stelle ist das Pferdemaul schmaler, weshalb die Kandare in der Regel 0,5 bis 1 cm kleiner gewählt werden sollte als die Unterlegtrense. Die Seitenteile der Kandare sollten dicht an den Maulwinkeln abschließen, ohne sie einzuklemmen. Ist zu viel Platz zwischen Maulwinkel und Seitenteilen, kann die Kandare verrutschen oder verkanten.
Die Stärke der Gebisse hängt von den Platzverhältnissen im Pferdemaul ab. Bei kleinen Mäulern sollten die Gebisse auf keinen Fall dicker als 16 mm sein. In Deutschland verwendet man im Durchschnitt eine Kombination aus 14 mm starker Unterlegtrense und 16 mm dicker Kandare. Bei feinen und kleinen Mäulern ist es ratsam, auch die Kandare in 14 mm Stärke zu wählen.
Die größte Herausforderung bei der Anpassung einer Kandare ist es, die Platzverhältnisse im Pferdemaul einzuschätzen. Denn es müssen zwei Gebisse im Maul Platz finden, die sich bei angenommenem Zügel nicht berühren dürfen.
Hierfür ist der Bereich zwischen den Backenzähnen und den Eckzähnen (falls vorhanden) ausschlaggebend. Aber auch die Maulspalte des Pferdes kann hier Einfluss nehmen.
Grundsätzlich gilt: Je kürzer der Abstand zwischen unteren und oberen Zähnen und je kürzer die Maulspalte, desto gewissenhafter müssen die Gebisse angepasst werden.
Kommt es nun zu oben beschriebenem Missverständnis, dass die Kandare in der Trensengröße gewählt wird und die Unterlegtrense eine Nummer größer, wird die korrekte Verschnallung fast unmöglich.
Eine zu große Unterlegtrense oder ein zu kleiner Abstand zwischen den Gebissen bewirkt, dass sich das Mundstück der Unterlegtrense unter oder über die Kandare legen kann und in die Zunge oder den empfindlichen Gaumen des Pferdes drückt. Dies ist unbedingt zu vermeiden.
Bekannte Probleme, die dadurch entstehen können, sind das Öffnen/Aufsperren des Mauls oder Hochziehen/Herausstrecken der Zunge.
Wird dagegen die richtige Kombination aus Kandare und Unterlegtrense gewählt, läuft dein Pferd zufrieden und tritt auch mit Kandare vertrauensvoll an die Reiterhand heran.
Es gibt viele verschiedene Kandarenmodelle und Unterlegtrensen, die zur Auswahl stehen. Allein hierzu könnte man vermutlich ein ganzes Buch füllen. Im Zweifel solltest Du Dich im Fachhandel oder bei uns direkt beraten lassen. In diesem Beitrag soll zumindest ein möglicher Lösungsweg für die häufigsten Probleme angeboten werden. Tiefergehende Informationen zu der Wirkungsweise verschiedener Mundstücke, können im Blog 'Wie finde ich das passende Gebiss?' nachgelesen werden.
Bei der Wahl der Passform der Kandare und Unterlegtrense sollte man sich auch an den anatomischen Bedingungen im Pferdemaul orientieren. Schwierige Fälle haben in der Regel eines der oben beschriebenen Probleme: Eine kurze Maulspalte und/oder wenig Platz zum Eckzahn/Backenzahn. In diesen Fällen liegen die beiden Gebisse relativ dicht aneinander und es gilt zu vermeiden, dass sie sich berühren. Im Grunde müssen wir Gebisse auswählen, die Platz sparen. Ideal hierfür sind Kandaren mit einer leicht gebogenen Stange oder höherer Zungenfreiheit, die nach vorne geneigt sind. Im Gegensatz zu einer geraden Stange schaffen diese Kandaren deutlich mehr Platz für die Unterlegtrense. Anatomisch geformte Unterlegtrensen sind ebenfalls „platzsparender“ in Richtung Kandarenmundstück als gerade geformte Mundstücke.
Pferde mit einer dickeren Zunge oder die keinen Druck auf der Zunge mögen, sind häufig zufriedener mit einer Kandare mit einer höheren und breiten Zungenfreiheit, z.B. der Bemelmanskandare.
Für stärkere Pferde kann eine geradere Stange dabei helfen, dass sie sich besser vom Gebiss abstoßen und die Verbindung etwas leichter wird. Auch hier gibt es Versionen mit unterschiedlich ausgeprägten Zungenfreiheiten für verschieden dicke Zungen.