In 4 Schritten zum richtigen Gebiss
von H. Sprenger, 13. Oktober 2023
Schritt 1: Die korrekte Gebissgröße
Die Stärke eines Gebisses sollte an die individuellen, anatomischen Bedürfnisse des Pferdemauls angepasst sein. Eine in Zusammenarbeit mit der Tierärztlichen Hochschule Hannover durchgeführte Vermessung von Maulhöhlen bei Pferden ergab, dass diese kleiner sind, als bis dahin angenommen wurde und entsprechend wenig Platz für ein Gebiss bieten.
Mit Hilfe eines Pferdezahnarztes oder des sogenannten „2-Finger-Tests“ lässt sich herausfinden, wie viel Platz im Maul des Pferdes ist und welche Gebissstärke gewählt werden sollte.
Hierzu legt man einfach die zusammengelegten Zeige- und Mittelfinger an die Stelle ins Pferdemaul, an der das Gebiss eingelegt wird Verspürt man Druck auf beiden Fingern, empfehlen wir die Stärke 14–16 mm. Verspürt man kaum Druck auf den Fingern, empfehlen wir die Stärke 16–18 mm.
Wenn ein zu dickes Gebiss gewählt wird, besteht die Gefahr, dass Druck auf den empfindlichen Gaumen ausgeübt wird. Dadurch können Druckstellen und Verletzungen entstehen, die unangenehm für das Pferd sind. Dieses Problem tritt in der Praxis relativ häufig auf und kann zu Kopfschlagen, Aufsperren des Maules oder „sich auf die Hand legen“ führen.

Wie wird ein Gebiss gemessen
Um das richtige Gebiss zu wählen, ist es wichtig zu wissen wie genau ein Gebiss gemessen wird.
Hierbei sind entscheidend die Gebissweite, die Gebissstärke und der Ringdurchmesser. Bei Kandaren und Pelhams ist es ebenfalls wichtig die Länge der Unterzüge und Seitenteile zu kennen.

Gebissweite
Wassertrensen
Bei korrekter Verschnallung von Gebissen mit durchlaufenden Ringen (Wassertrensen) sollte rechts und links nicht mehr als 0,5 cm Platz zwischen Maulwinkel und Gebissring sein, gemessen ohne Zügelaufnahme. Der Ring sollte immer frei beweglich sein und darf den Maulwinkel nicht einklemmen.
Gebisse mit festen Seitenteilen
Gebisse mit festen Seitenteilen (z. B. Olivenkopf- und D-Ring Gebisse oder Schenkeltrensen) sollten immer eine Nummer kleiner gewählt werden als Wassertrensen, denn ihre optimale Wirkung wird erzielt, wenn das Seitenteil relativ dicht am Maulwinkel anliegt. Dadurch liegt das Gebiss ruhig im Pferdemaul und es kann eine zusätzliche seitliche Einwirkung erzielt werden.
Kandare und Unterlegtrense
Die Unterlegtrense sollte in Form und Weite ähnlich der verwendeten Standardtrense gewählt werden. Die Kandare liegt unterhalb der Unterlegtrense im Pferdemaul. An dieser Stelle wird das Maul schmaler, weshalb die Kandare 0,5 bis 1 cm kleiner gewählt werden sollte als die Unterlegtrense. Um die optimale Wirkung zu erreichen, sollten die Seitenteile der Kandare dicht am Maulwinkel abschließen, dürfen ihn jedoch nicht einklemmen.
Schritt 2: Das richtige Mundstück
Einfach gebrochene Gebisse wirken über die Zunge auf den Unterkiefer ein. Bei Zügelanzug stellt sich das Gelenk in der Mitte des Mundstücks leicht auf, entlastet die Zungenmitte und leitet den Druck vermehrt auf die Zungenränder. Wird das Gebiss deutlich zu groß oder zu dick gewählt, kann es insbesondere bei Pferden mit flachem Gaumenbogen und wenig Platz im Maul passieren, dass das Auge des Gelenks Druckstellen oder Verletzungen am empfindlichen Gaumen verursacht.
Die Druckverteilung bei Zügelanzug erfolgt bei doppelt gebrochenen Gebissen über eine größere Fläche der Zunge als bei einfach gebrochenen Gebissen. Alle doppelt gebrochenen SENSOGAN und AURIGAN Gebisse von SPRENGER sind an die anatomischen Bedürfnisse des Pferdemauls angepasst, sodass die Reiterhilfen effektiver ankommen.

Stangengebisse
Wählen Sie die korrekte Größe, da zu große Gebisse bei einseitiger Zügelhilfe verkanten und unangenehm für das Pferd werden können. Stangengebisse gehören in erfahrene und feinfühlige Reiterhände, denn einseitige Zügelhilfen oder das Erarbeiten von Stellung und Biegung, sind nur schwer oder gar nicht möglich. Reiter, die ein Stangengebiss verwenden, sollten ihr Pferd daher mit Schenkel- und Gewichtshilfen gut parieren und wenden können.
Starre, gerade Stangen
Auf die gesamte Zunge (auch Zungenmitte) aus. Im Vergleich zu gebrochenen Gebissen gelangt bei geraden Stangen weniger Druck auf die Zungenränder. Mit der Stärke des Zügel anzugs steigt auch der Druck, der über die Zunge auf den Unterkiefer geleitet wird. Diese Gebisse sind zu empfehlen bei Pferden, die stark werden, gegen die Hand gehen oder sich „auf die Hand legen“, z. B. beim Anreiten eines Hindernisses.
Flexible, gerade Stangen
Im Vergleich zu starren Stangen kann bei flexiblen Stangen geringfügig besser einseitig eingewirkt werden. Auch hier verteilt sich der Druck bei Zügelanzug über die gesamte Zunge, wird jedoch zu den Zungenrändern hin etwas stärker. Diese Gebisse sind zu empfehlen für Pferde, die sich gelegentlich „fest machen“ oder Undurchlässigkeiten beim Training bestimmter Lektionen oder beim Anreiten von Hindernissen zeigen. Flexible Stangen werden häufig auch gut von Pferden angenommen, die mit gebrochenen Gebissen weniger gut zurechtkommen.
Stangengebisse mit Zungenfreiheit
Im Vergleich zu geraden Stangen wird bei Stangen mit Zungenfreiheit (z. B. CM Stangengebiss) die Zungenmitte entlastet und erst bei stärkerem Zügelanzug belastet. Diese Gebisse eignen sich in der Regel für Pferde, die gegen die Hand gehen, besonders fleischige Zungen haben oder zur Korrektur von Zungenproblemen bei Pferden, die Druck auf der Zunge als unangenehm empfinden und diesem durch Hochziehen oder Herausstrecken der Zunge ausweichen.

Schritt 3: Die richtigen Seitenteile
Wassertrensen
Gebisse mit durchlaufenden Ringen wirken ausschließlich auf Zug. Bei Zügelanzug wird der Druck über die Zunge auf den Unterkiefer weitergeleitet. Eventueller Druck auf das Genick entsteht hierbei nicht durch das Gebiss, sondern über das Reithalfter. Durch die beweglichen Ringe kann eine unruhige oder unerfahrene Reiterhand gering abgefedert bzw. ausgeglichen werden. Außerdem kann das Pferd das Gebiss durch Anspannen der Zunge etwas anheben und dadurch zu starkem Druck durch Zügelanzug kurzfristig ausweichen. Grundsätzlich sind Ringtrensen für jedes Pferd und jeden Ausbildungsstand geeignet und auch für das Anreiten von jungen Pferden oder für Reitanfänger empfehlenswert.
Olivenkopf-, D-Ring- und Schenkeltrensen
Olivenkopf-, D-Ring- und Schenkeltrensen wirken wie Wassertrensen ausschließlich auf Zug über die Zunge auf den Unterkiefer. Die Zügelhilfen werden im Vergleich zu Wassertrensen direkter übertragen. Die Bewegungen unruhiger oder ungeübter Reiterhände werden nicht abgefedert, sondern direkt weitergegeben. Da das Mundstück fest am Ring angebracht ist, liegt es besonders ruhig im Pferdemaul. Durch die weichen Übergänge zu den Seitenteilen sind diese Gebisse besonders maulwinkelschonend. Außerdem besteht durch die Auflagefläche der Seitenteile eine zusätzliche seitliche Anlehnung, die z. B. das Reiten von Wendungen und die Begrenzung am äußeren Zügel erleichtert (verwahrende Zügelhilfe). Hierbei gilt: Je größer die Kontaktfläche zwischen Seitenteil und Lefze, desto größer ist auch die seitliche Einwirkung. Diese Gebisse eignen sich besonders für Pferde mit empfindlichen Maulwinkeln, für Pferde, die dazu neigen über die Schulter auszubrechen (z. B. beim Abwenden oder beim Anreiten von Sprüngen) oder für Pferde, die ein sehr unruhiges Maul haben und mit dem Mundstück einer Ringtrense zu sehr „spielen“.

Gebisse mit zusätzlicher Einwirkung auf das Genick
Bei Multi Ring Gebissen verteilt sich der Druck bei Zügelanzug zunächst über die Zunge auf den Unterkiefer und dann auf das Genick. Dadurch erhält der Reiter bei stark werdenden und sich nach oben entziehenden Pferden wieder mehr Kontrolle, denn durch den Druck auf das Genick reagieren Pferde in der Regel mit Herabsenken des Kopfes. Bei 3-Ring Gebissen ist der Effekt noch deutlicher, da die Hebelwirkung durch die Länge des Seitenteils noch größer ist. Die optimale Wirkung wird bei Verwendung von zwei Zügelpaaren erzielt. Der Hauptzügel im großen Ring wirkt auf Zunge und Unterkiefer, das zweite Zügelpaar, verschnallt im unteren Ring, kann bei Bedarf über das Backenstück Druck auf das Genick ausüben. Voraussetzung hierfür ist natürlich eine geübte und gefühlvolle Reiterhand.
Gebisse mit zusätzlicher Einwirkung auf Genick und Unterkiefer
z. B. Pelham, Kandare oder Springkandare
Diese Gebisse wirken auf drei verschiedene Punkte am Pferdekopf: über die Zunge auf den Unterkiefer, durch Hebelwirkung der seitlichen Anzüge auf das Genick sowie über die Kinnkette auf den Unterkiefer. Die Zügelhilfe wird also auf die verschiedenen Druckpunkte am Pferdekopf verteilt. Dies ermöglicht dem Reiter eine bessere Einwirkung und Kontrolle, z. B. bei starken oder stürmischen Pferden. Eine korrekte Grundausbildung und Rittigkeit sollten Voraussetzung für die Verwendung solcher Gebisse sein. Da der Unterkiefer des Pferdes sehr empfindlich und nur mit einer dünnen Hautschicht überzogen ist, bietet sich die Verwendung einer Kinnkettenunterlage als Polster an.
Schritt 4: Das richtige Gebissmaterial
Metall – belastbares Gebissmaterial mit hoher Festigkeit
Die größten Vorteile von Metalllegierungen als Gebissmaterial sind hohe Festigkeit, Haltbarkeit und Langlebigkeit. Dennoch bestehen zwischen erhältlichen Legierungen signifikante Qualitäts- und Funktionalitätsunterschiede für die Verwendung im Pferdemaul. Sehr beliebt sind beispielsweise Kupferlegierungen. Kupfer eignet sich aufgrund seiner natürlichen Oxidationseigenschaften als Gebissmaterial, denn dadurch wird die Kautätigkeit des Pferdes angeregt. Da reines Kupfer jedoch zu weich ist, um den Belastungen im Pferdemaul standzuhalten, muss es durch Zusätze gehärtet werden. Hier wird es interessant, denn die hinzulegierten Metalle beeinflussen das Oxidationsverhalten des Kupfers und dadurch auch die Funktionalität des Gebisses.
Überblick über die gängigsten Gebissmaterialien
SENSOGAN (Made in Germany)
SENSOGAN von SPRENGER ist ein Gebissmaterial, welches speziell für den Gebrauch im Pferdemaul entwickelt wurden. Die Zusammensetzung basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und wurde von der Tierärztlichen Hochschule Hannover toxikologisch untersucht und als unbedenklich bewertet.
SENSOGAN
Legierung aus Kupfer, Mangan und Zink. Das Mangan härtet das Kupfer, ohne dessen natürlichen Oxidationsprozess zu stören. Durch das Mangan kommt die Legierung mit weniger Kupfergehalt aus.
Edelstahl
Bei Edelstahl handelt es sich um eine Legierung aus Eisen, Chrom und Nickel, die über eine besonders hohe Festigkeit verfügt. Es ist geschmacksneutral und hat keinerlei kaufördernde Eigenschaften. Edelstahlgebisse werden in der Regel aus Fernost importiert und können – je nach Hersteller – enorme Qualitätsunterschiede aufweisen. Alle Edelstahlgebisse von SPRENGER werden diesbezüglich geprüft und erfüllen die höchsten Qualitätsstandards.
Herkömmliche Kupferlegierungen
(goldfarbene Gebisse, ausgenommen SENSOGAN und AURIGAN) Legierungen aus Kupfer und Aluminium mit hoher Festigkeit. Aluminium ist vergleichsweise günstig und einfach zu verarbeiten und eignet sich gut zur Härtung von Kupfer. Allerdings hemmt die Zugabe von Aluminium den natürlichen Oxidationsprozess von Kupfer – den eigentlichen Grund, warum Kupfer ein so sinnvoller Zusatz für Gebissmaterialien ist. Herkömmliche Kupferlegierungen fördern daher nicht die Kautätigkeit des Pferdes.
Kunststoff- oder Gummigebisse
Im Vergleich zu Gebissen aus Metall sind Kunststoff- und Gummigebisse deutlich weicher und sollten nicht mit den Zähnen des Pferdes in Kontakt kommen. Alle Duo-Gebisse (flexibler, weißer Kunststoff) von SPRENGER sind lebensmittelecht, lösemittelfrei und enthalten keine Weichmacher. Alle SPRENGER Duo- und Gummigebisse sind zur Erhöhung der Sicherheit mit einer Stahlseele ausgestattet, sodass sie nicht durchgebissen werden können. Achten Sie bei Verwendung von Gummigebissen unbedingt darauf, dass Ihr Pferd genügend Speichel produziert. Gummigebisse können bei Pferden mit zu wenig Speichelfluss unangenehm werden und die Maulwinkel wund reiben („Radiergummieffekt“). SPRENGER gewährt aufgrund der weichen Materialeigenschaften von Kunststoff- und Gummigebissen keine Garantie auf Zerbiss